Kopfverklebung - ein Prozess

Kopfverklebung - ein Prozess
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Autor: Wiegele Anita
Verlag: Verlagshaus Hernals Wien
Format: Taschenbuch 71 Seiten
ISBN: 978-3-902975-36-2
Preis: 25,0

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Leseprobe

Lange, leise und in meinen Überlegungen vertieft, sitze ich vor diesem Kopf. Hart gepresst, mit dem Fingernagel nur schwer zu ritzen und die kleine Nase sowie die geschlossenen Lider sehr weiblich und weich.  So schaut er also aus, mein Ersatzkopf, mein stellvertretendes Objekt.

Ich spreche zu Ihm, er, der Kopf ist ja eine SIE… ganz genau gesagt…. es ist das ICH dem ich so viel zu erzählen habe.

„Du“, sage ich. „Kannst du mich hören? Hast du den Mut für mich dies alles hinzunehmen?  Es wird bitter werden, ich weiß,  ich kann den Schmerz fühlen, in den ich dich tauchen muss. Doch ich verspreche dir, ich werd dich begleiten und sehr sorgfältig und sanft an dir arbeiten. Doch ersparen wird ich dir nichts! Du bist ja ICH und diesmal werde ich den Weg bis zum Ende gehen. Ich lass mich nicht stoppen und es gibt auch kein Innehalten.. Du weißt schon, dass Säure frisst. Ein einziger Tropfen brennt sich in dein Hirn, doch ich werde schütten.“

Neben mir liegt eine Säge und ein alter kleiner Trichter aus Email. Moment, die weißen Bandagen muss ich noch suchen, …. Wie vermutet, werde ich im alten Badezimmerschrank fündig. Jetzt noch eine Bohrmaschine und den passenden Bohraufsatz.

„So, du lieber Kopf du… du trauriges ICH! Ich werde mir und meiner Welt zeigen, was es bedeutet, ALTES loszulassen, Erinnerungen in neue Leere zu wandeln. Ich sehe keinen anderen Weg, als ALLES an dir zu verrichten. Um doch ein wenig tiefer in Dein Gefühl einzutauchen, hülle ich auch meinen Kopf in Bandagen. Gerade soviel lasse ich Licht, dass ich dich noch wahrnehmen kann.

Komm, lehn dich an mich, die Kamera will uns beide. Kein feines Kleidchen diesmal und keine harmonische Landschaft, in welche ich uns beide setze. Kein Lächeln auf den Lippen.

Im Nebenraum nehme ich die Anwesenheit meines Partners wahr. Irgendwas macht ihn unruhig, ich erkenn es an seinem Schritt. Sonst so gewohnt ruhig der Tritt gesetzt, läuft er ruhelos in gewissen Abstand immer wieder an mir vorbei. Auch sein Ausdruck in den Augen ist fragend. Er sagt nichts, ich denke er weiß, dass auch unsere Liebe einer Reinigung unterzogen wird.

 

 

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